Funktionelle Analysen genetischer Varianten

Eine der größten Herausforderungen auf dem Gebiet der Genetik ist es, genetische Varianten hinsichtlich ihres funktionellen Effektes auf das translatierte Protein zu bewerten. Das gesamte Erbgut jedes Menschen enthält viele tausend ''Mutationen'', die letztendlich die genetische Vielfalt der unterschiedlichen Individuen ausmachen. Die große Mehrheit dieser ''Mutationen'' ist allerdings keinesfalls als pathogen anzusehen, sie sorgen dafür, dass jeder Mensch genetisch einzigartig ist. Diese nicht-pathogenen ''Mutationen'' werden auch als genetische Varianten bezeichnet und kommen in einem größeren prozentualen Anteil in der gesamten Weltbevölkerung vor.

Die Schwierigkeit besteht nun darin, Varianten zu bewerten, die nur in einem sehr geringen Teil der Bevölkerung vorkommen und daher eventuell doch pathogen, also krankheitsauslösend sein können. Meistens handelt es sich bei diesen Varianten um sogenannte missense-Varianten, bei denen in der DNA ein Nucleotid gegen ein anderes ausgetauscht ist. Dadurch kann es im daraus resultierenden Protein zu einem Austausch der entsprechenden Aminosäure kommen. Ob dies einen Effekt auf die korrekte Funktionsweise des Proteins hat und damit potenziell pathogen ist, hängt beispielsweise davon ab, wie ähnlich die ausgetauschten Aminosäuren einander sind. In begrenztem Maße lassen sich diese Dinge am Computer simulieren, die Zuverlässigkeit dieser Vorhersagen ist allerdings noch immer stark begrenzt.

Abbildung 1: Beispielhafte Darstellung eines Luciferaseassays zur funktionellen Analyse von Genvarianten. TF: Transkriptionsfaktor, CYP11A1: beispielhafter Zielpromotor eines Transkriptionsfaktors, luc2: firefly-Luciferase.

Die derzeit zuverlässigste Möglichkeit, den Effekt eines Aminosäure-Austausches  zu analysieren, ist daher die jeweilige Veränderung in vitro nachzustellen und zu untersuchen. Dazu kann die entsprechende missense-Variante mittels einer sogenannten Mutagenese-PCR nachgestellt, in einen Vektor integriert und in menschlichen Zelllinien heterolog exprimiert werden. Mit diesen transfizierten Zellen können anschließend eine Vielzahl von Versuchen durchgeführt werden: Ein gängiges Beispiel hierfür ist der Luciferaseassay, bei dem die Fähigkeit eines Transkriptionsfaktors an seine Ziel-DNA zu binden überprüft wird. Weiterhin können Western blots zur Überprüfung der Intensität der Proteinexpression oder zur Co-Expression interagierender Proteine durchgeführt werden. Eine zusätzliche Option der funktionellen Analysen stellen Immunhistochemische- oder -fluoreszenzfärbungen dar, mit denen der Expressionsort bestimmter Proteine in Geweben oder Zellen festgestellt werden kann.