Identifikation neuer Kandidatengene

Die Suche nach neuen, kausalen Genen, die für männliche Unfruchtbarkeit verantwortlich sind, ist eine enorme Herausforderung. Über 2000 Gene sind im menschlichen Hoden mäßig bis hoch exprimiert, und über 800 Gene werden ausschließlich dort abgelesen. Dabei ist die Mehrheit dieser Gene mutmaßlich an dem Prozess der Spermienbildung - der Spermatogenese - beteiligt. Dennoch konnten bisher nur sehr wenige, neue, zu Unfruchtbarkeit führende Gene durch die Analyse einzelner Kandidatengene identifiziert werden. Ein systematischeres und unvoreingenommenes genomweites Vorgehen ist deshalb notwendig.

Um dieses Ziel zu erreichen und weitere genetische Ursachen für männliche Unfruchtbarkeit zu finden, arbeiten wir derzeit an der Etablierung eines solchen systematischen Ansatzes. Wir können dabei auf ein Kollektiv von über 900 Männern zurückgreifen, deren codierende Regionen des Genoms (= Exom) komplett sequenziert wurden. Ein überwiegender Teil dieser Männer weist keine Spermien im Ejakulat auf, ist also azoosperm, oder aber oligoasthenoteratozoosperm, verfügt also über Spermien mit verminderter Anzahl, geschwächter Beweglichkeit oder abnormaler Morphologie. Um die entstehenden genetischen Daten möglichst effizient zu nutzen, zu vergleichen und zu analysieren, haben wir zusammen mit Forschenden des Institutes für Medizinische Informatik ein Variantenfilter-Tool namens Haystack entwickelt. Mit diesem Werkzeug lassen sich tausende von genetischen Varianten nach spezifischen Kriterien filtern, die Genexpression im Hoden überprüfen, oder Gene aussortieren, die für weitere Analysen irrelevant wären.

Abbildung 1: Beispiel eines Analysetools (GOrilla REVIGO), das wir zur ersten Beschreibung potentieller Kandidatengene nutzen.

Nach einem intensiven Filterprozess bleiben noch immer einige hundert Gene übrig. Doch durch die Verwendung weiterer, online verfügbarer Programme ergeben sich zusätzliche Details, die eine noch bessere Eingrenzung ermöglichen. Daran anschließend führen wir eine gründliche Literaturrecherche durch, um möglichst viele Hintergrundinformationen zu den einzelnen Genen zusammenzutragen. Wir prüfen beispielsweise, ob es bereits vielversprechende Veröffentlichungen zu reproduktionsrelevanten Fragestellungen gibt, wie ob bereits ein genspezifisches Tiermodell existiert, das Einschränkungen in der Fruchtbarkeit entwickelt. Mit diesem Ansatz arbeiten wir derzeit an der Identifikation neuer, höchst-relevanter Kandidatengene und konnten dabei schon einige vielversprechende Ergebnisse erzielen, die wir in naher Zukunft veröffentlichen werden!