Von der Promotion zur Professur: Ann-Kristin Dicke zieht ein Zwischenfazit zum Programm „Durchstarten“
IRG-Doktorandin Ann-Kristin Dicke zählt zu der ersten Kohorte von Promovendinnen, die das Karriereförderprogramm „Durchstarten“ durchlaufen. Das Programm wird vom Gleichstellungsbüro der Universität Münster durchgeführt. Sechs Monate nach dem Startschuss zieht Ann-Kristin im Gespräch mit IRG-Projektmanagerin Hannah Lorenz eine Zwischenbilanz. Konkret sprechen sie über die Inhalte des Programms, die Leaky Pipeline und inspirierende Brown Bag Lunches. Im kommenden Wintersemester wird es eine Neuauflage von „Durchstarten“ geben. Bewerbungen sind ab Ende April möglich. Mehr Informationen gibt es auf der Homepage des Gleichstellungsbüros. Fragen zu „Durchstarten“ beantwortet Lena Römer gerne.
Hannah Lorenz: Worum geht es in dem Programm „Durchstarten“?
Ann-Kristin Dicke: Das Programm richtet sich an Doktorandinnen der ganzen Universität Münster und soll sie für eine wissenschaftliche Karriere begeistern. Wir haben verschiedene Workshops, in denen wir über Karriereplanung reden, über Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft und viele weitere spannende Themen.
Was ist das Ziel des Programms?
Das Ziel ist es, Frauen für die Wissenschaft zu begeistern, der Leaky Pipeline entgegen zu wirken, und es dient auch der Vernetzung von Doktorandinnen untereinander.
Du hast gerade schon kurz die Workshops angesprochen. Könntest du ein bisschen genauer erläutern, wie das Programm aufgebaut ist?
Es ging los mit einer Auftaktveranstaltung zum Kennenlernen. Das ganze Programm wird begleitet von einer Supervision. Es gibt am Anfang und Ende der Laufzeit sowie zur Halbzeit Supervisionstreffen. Dazwischen finden über das Jahr verteilt verschiedene Workshops statt sowie ein Brown Bag Lunch, bei dem wir mit Professorinnen aus verschiedenen Fachbereichen in Kontakt kommen konnten. Die Workshops behandeln Themen wie Sichtbarkeit und Netzwerken in der Wissenschaft, Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft und Karriereplanung.
Wie bist du auf das Programm aufmerksam geworden? T
atsächlich hat Frank mich darauf aufmerksam gemacht und mir geraten, mich zu bewerben.
Und warum hast du dich für das Programm beworben?
Weil ich mir selbst noch nicht sicher bin, ob ich in der Wissenschaft bleiben möchte. Bevor ich meine Promotion angefangen habe, hatte ich den festen Plan, in die Industrie zu gehen. Aber seit ich am Institut für Reproduktionsgenetik arbeite, habe ich doch viel Freude an der Wissenschaft. Nun stehe ich ein bisschen zwischen den Stühlen und bin noch nicht ganz sicher, wo die Reise hingeht. Für ebenjene Entscheidungsfindung ist das Programm auch gedacht. Man macht sich bewusst, wo man eigentlich hinmöchte und welche beruflichen Aufgaben reizvoll sind. Das war für mich der ausschlaggebende Grund, mich zu bewerben. Denn schließlich spricht auf dem Papier auch einiges gegen eine wissenschaftliche Karriere. Sich dann noch einmal intensiver darüber mit anderen auszutauschen, fand ich ganz verlockend.
Wie lief der Bewerbungs- und Auswahlprozess ab?
Man musste sich mit dem Lebenslauf und einem Motivationsschreiben bewerben, und das war es eigentlich schon. Es gab kein Auswahlgespräch, die Motivationsschreiben wurden gesichtet, und dann bekam man die Nachricht, dass man ausgewählt wurde.
Wer macht bei deiner „Durchstarten“-Kohorte noch mit?
Das ist ganz bunt gemischt. Wir sind 15 Doktorandinnen – darunter einige Psychologinnen, aber auch Doktorandinnen aus der Mathematik, der Didaktik, der Informatik; Politikwissenschaft oder der Medizin, zum Beispiel.
Was würdest du sagen: Welche institutionellen Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Doktorandinnen an „Durchstarten“ teilnehmen können?
Nun ja, man muss für die Workshops freigestellt werden. Das umfasst etwa einen Tag pro Monat, und da bräuchte man auf jeden Fall den Rückhalt aus der Arbeitsgruppe sowie die Unterstützung der/des Vorgesetzten. Generell richtet sich das Programm vornehmlich an Doktorandinnen, die nicht innerhalb von größeren, drittmittelgeförderten Forschungsverbünden promovieren, Promovendinnen also, die nicht zwangsläufig von einem professionellen Netzwerk profitieren.
Welche Herausforderungen siehst du für Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben?
Die Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft ist natürlich immer ein großes Thema. Die Frage ist, inwieweit man das institutionalisiert lösen kann. Durch die Workshops ist mir ein bisschen bewusster geworden, dass auch viel auf persönlicher Ebene passieren muss und auf individuellen Entscheidungen eines Paares, bzw. innerhalb der Familie beruht. Generell denke ich, dass Männer und Frauen heutzutage die gleichen Chancen auf eine Professur haben.
Was meinst du: Brauchen wir Programme wie „Durchstarten“?
Es ist auf jeden Fall sehr hilfreich. Gerade mir hilft es, mir noch einmal bewusst zu machen, welche beruflichen Möglichkeiten es gibt. Eventuell hätte ich eine wissenschaftliche Karriere ohne das Programm gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Es bestärkt Frauen, in der Wissenschaft zu bleiben. Ziel des Programms ist es, Frauen für eine wissenschaftliche Karriere zu begeistern.
Was reizt dich an einer Karriere in der Wissenschaft?
Die Tätigkeit, die ich im Moment ausübe, macht mir einfach sehr viel Freude. Ich liebe es, zu forschen, ich finde es unglaublich spannend. Tatsächlich fände ich es sehr schade, das nicht in Erwägung zu ziehen, weil die Forschung sehr viel bietet, und ich mir nicht sicher bin, ob es für mich ein anderes vergleichbar spannendes Feld gäbe, in dem ich arbeiten könnte.
Inwiefern hast du in den letzten Monaten von „Durchstarten“ profitiert? Sehr hilfreich war für mich der Brown Bag Lunch. Da konnte man auf persönlicher Ebene mit Professorinnen in Kontakt kommen und wirklich über Dinge reden, die einen vielleicht noch davon abhalten, ernsthaft über eine wissenschaftliche Karriere nachzudenken. Ähnlich hilfreich ist es, mit Doktorandinnen aus anderen Fachbereichen in Kontakt zu kommen. Wir haben festgestellt, dass viele universitäre Strukturen, wie z.B. die Anforderungen in der Promotionszeit, in den Fachbereichen total unterschiedlich sind. Daher habe ich auch viel über das Hochschulsystem gelernt.
Gibt es etwas, das du dir bei dem Programm anders gewünscht oder anders vorgestellt hättest?
Einige Treffen wurden über Zoom abgehalten, und ich habe für mich gemerkt, dass die Treffen in Präsenz noch gewinnbringender waren. Wenn es möglich wäre, fände ich es toll, wenn das ganze Programm in Präsenz stattfinden könnte. Aber ansonsten bin ich sehr zufrieden.
Das Programm ist in die zweite Halbzeit gestartet. Wenn Du zurückblickst: Inwiefern hat „Durchstarten“ geholfen, dich für eine Karriere in der Wissenschaft vorzubereiten?
Los ging es mit einem Workshop zur Karriereplanung. Da hat man sehr viele Informationen bekommen und das habe ich auch gebraucht. Außerdem war es hilfreich, viel zu reflektieren. Wo möchte ich hin? Was möchte ich beruflich für Tätigkeiten ausüben? Es hat mich zum Nachdenken angeregt.
Was steht in den kommenden Monaten noch auf dem Programm?
Es stehen noch ein paar interessante Workshops an, z. B. zur Sichtbarkeit in der Wissenschaft, zum Netzwerken oder dem Einwerben von Drittmitteln. Da freue ich mich drauf.
Würdest du das Programm weiterempfehlen?
Ja, auf jeden Fall. Sowohl für Doktorandinnen, die sich sicher sind, dass sie in der Wissenschaft bleiben möchten – da gibt es viele hilfreiche Tipps, wie man am besten vorankommt –, aber auch für Doktorandinnen, die sich noch nicht sicher sind, ob sie in der Wissenschaft bleiben wollen, so wie mich. Denen würde ich ebenso empfehlen, an dem Programm teilzunehmen, weil man einfach Zeit bekommt, intensiv darüber nachzudenken, zu reflektieren, sich auszutauschen und eine Entscheidung zu treffen.
Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für deine wissenschaftliche Karriere!
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