Meiose (AG Friedrich)
Die typische menschliche Zelle enthält 23 Chromosomenpaare, also einen doppelten Satz an homologen Chromosomen, von denen jeweils eins vom jeweiligen Elternteil stammt. Diese Eigenschaft der Zelle nennt man diploid. Bei der Entstehung von neuem Leben muss dieses Verhältnis von einer Generation zur nächsten beibehalten werden. Das Spermium des Mannes und die Eizelle der Frau enthalten deshalb nur einen halben Chromosomensatz – sie sind haploid.
Das Stichwort hier lautet: Meiose. Bei der Meiose folgen auf die Verdopplung der DNA zwei Teilungszyklen – Meiose I und II. Dabei werden im ersten Schritt die gleichen, also homologen Chromosomen und im nächsten Schritt die sogenannten Schwesterchromatiden getrennt. Aus einer diploiden Elternzelle entstehen entsprechend vier haploide Tochterzellen, die jeweils einen halben Chromosomensatz enthalten, so dass sie mit einer zweiten Keimzelle verschmelzen können, um genetisch-ausgeglichene Nachkommen zu bilden.
Der Prozess der männlichen Meiose findet in den Hoden während der Spermatogenese, also der Keimzellentwicklung, statt. Einer der wichtigsten Schritte in dieser Differenzierungskaskade geschieht in der Prophase der Meiose I – die sogenannte meiotische oder homologe Rekombination. Homologe Chromosomen finden sich, verbinden sich miteinander und tauschen ihre DNA in einem Vorgang aus, der auch als Crossover bezeichnet wird. Nur wenn jeder Schritt korrekt abläuft, können die nächsten Phasen, Metaphase, Anaphase, Telophase und Meiose II, erfolgreich durchlaufen werden.
Bereits minimale Störungen können mit dem kompletten oder teilweisen Verlust befruchtungsfähiger Keimzellen einhergehen. Ein Arrest der Meiose kann beim Menschen zu Unfruchtbarkeit führen, z. B. zu Azoospermie (dem kompletten Fehlen von Spermien im Ejakulat). In diesen schweren Fällen kann keine natürliche Fortpflanzung stattfinden, weil zu wenige oder keine Spermien produziert werden. Die einzige Chance, ein genetisch eigenes Kind zu bekommen, besteht in einer Kombination aus Hodenspermienextraktion (TESE) und medizinisch assistierter Reproduktion (MAR).
In der Vergangenheit konnten wir verschiedene Gene identifizieren, die für die (männliche) Fruchtbarkeit wichtig sind (z. B. M1AP, MSH4/MSH5, SYCP2, STAG3). Veränderungen in diesen Genen, sogenannte Varianten, können die Funktion der zugrundeliegenden Proteine beeinträchtigen und zu Unfruchtbarkeit führen. Insbesondere wenn ein Meiosearrest vorliegt, könnten zahlreiche ungeklärte Fälle von Unfruchtbarkeit mit genetischen Ursachen erklärt werden.
Die Identifizierung neuer genetischer Faktoren für einen Keimzellarrest und die Verbesserung unseres allgemeinen Verständnisses der menschlichen Meiose sind unsere Hauptforschungsschwerpunkte. Die Kombination aus Molekulargenetik, Large-Cohort-Screening und tiefgehender histologischer Phänotypisierung ermöglicht es uns, die Prozesse der meiotischen Rekombination und der Keimzelldifferenzierung zu verstehen, wobei wir das übergeordnete Ziel im Auge behalten – die Übersetzung dieser Erkenntnisse in den klinischen Kontext.