Genetische Ursachen männlicher Unfruchtbarkeit: Neue Erkenntnisse zu M1AP und Meiosearrest

Unfruchtbarkeit (Infertilität) bei Männern stellt ein weltweites Gesundheitsproblem dar, dessen zugrundeliegende Ursachen bislang oft im Dunkeln liegen. Selbst wenn in der Samenprobe keine oder nur sehr wenigen Spermien nachgewiesen werden können, bestehen für betroffene Männer Behandlungsmöglichkeiten wie die testikuläre Spermienextraktion (TESE) und medizinisch assistierte Reproduktion (MAR), um ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Ist jedoch die die Bildung reifer Samenzellen (Spermatogenese) gestört, etwa durch einen sogenannten Meiosearrest, sinken die Erfolgsaussichten solcher Verfahren erheblich. Ein besseres Verständnis der genetischen Ursachen männlicher Unfruchtbarkeit ist daher dringend notwendig, um Chancen und Risiken therapeutischer Möglichkeiten realistisch einschätzen zu können.

In einer kollaborativen Studie aus dem Institut für Reproduktionsgenetik (Münster) und unter Beteiligung des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA, Münster) sowie weiteren internationalen Institutionen aus Melbourne, Gießen und Kopenhagen, wurden nun neue Erkenntnisse zur klinischen Relevanz des M1AP Gens gewonnen. Das Gen codiert ein Protein, das für die erste Phase der Meiose, der Zellteilung zur Bildung von Keimzellen, von zentraler Bedeutung ist. Die Forschenden haben verschiedene krankheitsrelevante (pathogene) Varianten von M1AP untersucht, die bei betroffenen Männern typischerweise zu einem Meiosearrest in der Metaphase I führen, einem kritischen Punkt im Verlauf der Meiose.

Erstaunlicherweise zeigte sich, dass der Prozess der homologen Rekombination in einzelnen Keimzellen dennoch vollständig durchlaufen wurde, so dass sich befruchtungsfähige Spermien entwickeln konnten. Diese wurden bei einem betroffenen Paar für eine medizinisch assistierte Reproduktion verwendet. Dadurch war es dem Paar möglich, ein gesundes Kind mit vollständigem (euploiden) Chromosomensatz zu bekommen. Dieser Fall zeigt, dass für Männer mit M1AP-assozierter Unfruchtbarkeit die assistierte Reproduktion eine therapeutische Möglichkeit darstellt, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen.

Im Gegensatz dazu führte bei Männern mit einem vollständigen Verlust eines der ZZS-Proteine SHOC1, TEX11 oder SPO16, die mit M1AP interagieren, zu einer schwerwiegenden Störung der Rekombinationsmaschinerie. In diesen Fällen brach die Meiose bereits frühzeitig ab, und es wurden keinerlei haploide Keimzellen gebildet, also keine befruchtungsfähigen Spermien. Die Studienautor*innen gehen davon aus, dass keine Möglichkeit für leibliche Nachkommen besteht.

Die Forschungsergebnisse wurden unter dem Titel Genotype-specific differences in infertile men due to loss-of-function variants in M1AP or ZZS genes in der renommierten Fachzeitschrift EMBO Molecular Medicine veröffentlicht. Die Arbeit hebt die diagnostische und prognostische Bedeutung genetischer Analysen bei männlicher Unfruchtbarkeit hervor. Besonders Varianten im M1AP Gen könnten in bestimmten Fällen, trotz deutlicher Einschränkungen, eine Chance auf leibliche Vaterschaft eröffnen. Zugleich unterstreicht die Arbeit die Notwendigkeit eines tiefgehenden Verständnisses der genetischen Mechanismen der Spermatogenese, um eine evidenzbasierte und individualisierte Beratung und Behandlung betroffener Paare zu ermöglichen.